Sie sind hier:
Meldung
Ländlicher Raum als Gestalter und Innovator der Energiewende
Besuch einer Delegation der Forschungsgruppe “Demokratisches Regieren und Handeln” vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz Zentrum Potsdam im Uckerland.
Erneuerbare Energien sind unentbehrlich für die Energiewende. Dennoch hinkt der Ausbau des Stromnetzes dem raschen Zubau von Wind- und Solarenergieanlagen hinterher. Diese Verzögerungen führen dazu, dass an besonders windigen Tagen in Regionen mit hoher Windkraftkapazität, wie der nördlichen Uckermark in Brandenburg, ein Überangebot an Strom entsteht. Das Netz kann den überschüssigen Strom nicht effizient abtransportieren, sodass Windkraftanlagen abgeschaltet werden müssen, um Netzüberlastungen zu vermeiden.
Die Gemeinde Uckerland hat gemeinsam mit dem Energieunternehmen Enertrag eine innovative Lösung gefunden. Im Jahr 2021 wurde dort ein Windspitzenwärmespeicher gebaut, der die lokale Wärmeversorgung sicherstellt.
Eine Delegation der Forschungsgruppe "Demokratisches Regieren und Handeln" vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz Zentrum Potsdam war am 08.10.2024 vor Ort, um sich diesen "begehbaren Ort der Energiewende" persönlich anzuschauen und mit Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinde, der Stadtwerke und der Lokalpolitik in Kontakt zu treten. Folgende Fragen rahmten den Tag: Welche Potenziale birgt der ländliche Raum für die Energiewende, und welche Herausforderungen sind damit verbunden? Wie können Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden an den Energieprojekten beteiligt werden, und welche politischen Hürden ergeben sich dabei?
Die Forschungsgruppe "Demokratisches Regieren und Handeln" untersucht die Transformation zur Klimaresilienz, indem sie die Voraussetzungen für Nachhaltigkeitstransformationen, Mechanismen politischer Teilhabe und die Gestaltung von Klima- und Energiepolitiken analysiert.
Nutzen statt Abregeln
Durch einen Austausch mit Bürgermeister Matthias Schilling erhielt die Gruppe um Dr. Franziska Mey die Gelegenheit, die Gemeinde Uckerland zu besuchen und sich vor Ort ein Bild von der Region und deren Vorzeigeprojekt zu machen. Begrüßt wurde die Gruppe in der Gemeindeverwaltung Lübbenow von Herrn Schilling mit einer kurzen Präsentation zur Gemeinde, den Windenergie- und Wärmeprojekten sowie zukünftigen Vorhaben zur Klimaneutralität. In einem anschließenden Austausch wurden Chancen und Hürden diskutiert, mit denen die Gemeinde konfrontiert ist. Ein besonderer Schwerpunkt war das Thema Energiegerechtigkeit und der faire Ausgleich zwischen Kosten und Nutzen für die ländliche Bevölkerung in der Energiewende – insbesondere, da in der Region im bundesweiten Durchschnitt die höchsten Strompreise (aufgrund hoher Netzentgelte) gezahlt werden.
Uckerland ist mit einer Siedlungsdichte von 16 Einwohnerinnen und Einwohnern pro Quadratkilometer extrem dünn besiedelt, während der deutsche Durchschnitt bei 233 liegt (Stand 2021, Deutschlandatlas). 87 Prozent der Fläche werden landwirtschaftlich genutzt, während nur 2,3 Prozent bebaut sind.
In Uckerland sind 9 Prozent der Fläche als Windeignungsgebiete ausgewiesen. Soweit das Auge reicht, prägen Windkraftanlagen das Landschaftsbild. In diesem Jahr wurde bereits die 100. Windkraftanlage eingeweiht. Allerdings befinden sich sämtliche Anlagen in privater Hand, sodass weder die Gemeinde noch die örtliche Bevölkerung direkt von der Wertschöpfung profitieren.
Seit 2021 stellt der "Abregelstrom" der benachbarten Windfelder die Grundlage für eine innovative Lösung dar. An besonders windigen Tagen, wenn der erzeugte erneuerbare Strom nicht vollständig ins Stromnetz eingespeist werden kann, wird der Überschuss in eine Power-to-Heat-Anlage umgeleitet. Diese Anlage versorgt ein dezentrales Nahwärmenetz, an das etwa 40 Haushalte angeschlossen sind, mit kostengünstiger Wärme. Für die Anwohnerinnen und Anwohner macht sich dies deutlich im Geldbeutel bemerkbar – ein Haushalt kann bis zu 1.000 bis 1.500 Euro pro Jahr an Heizkosten einsparen. Der Bürgermeister betont, dass in einer strukturschwachen Region wie Uckerland vor allem ein finanzieller Mehrwert für die Bevölkerung entscheidend sei, um die Akzeptanz erneuerbarer Energien zu fördern.
Jörg Müller, Aufsichtsratsvorsitzender des lokalen Energiebetreibers Enertrag, hebt hervor, dass die Einsparungen durch die kostengünstige Wärmeversorgung die Vorteile einer vergünstigten Stromversorgung deutlich übertreffen.
Zwischen Brandmauer und Blockade
Die Forschenden des RIFS interessierte insbesondere das veränderte politische Klima durch das Erstarken der AfD in der Region. Dies wird von den Beteiligten ambivalent erlebt. Während sich Harald Jahnke von den Stadtwerken Prenzlau darüber freut, dass in Bezug auf das Thema Geothermie fraktionsübergreifend an einem Strang gezogen wird und hier eine Brandmauer zur AfD eher hinderlich wäre, berichtet Bürgermeister Klatt von einem geschlossenen Auftreten der AfD-Fraktion in der Gemeindevertretung, um die Neuausweisung von Photovoltaik-Freiflächen zu verhindern.
Generell herrscht politischer Unmut über wechselnde und uneindeutige Entscheidungen des Bundeswirtschaftsministeriums, insbesondere beim Heizkostengesetz, das die Bürgerinnen und Bürger verunsichert und die lokalen Energieunternehmen im Kontakt mit der Kundschaft vor kommunikative Herausforderungen stellt. Insgesamt wünschen sich alle Beteiligten eine unpolitische Debatte, in der Unternehmen und Energiefachleute eine führende Rolle einnehmen.
Der Ausflug nach Uckerland hat gezeigt, dass der ländliche Raum eine bedeutende Rolle für die Energiewende spielt und mit innovativen Projekten wie dem Windspitzenwärmespeicher bereits vorangeht. Mehr Projekte wie in Nechlin sind notwendig, um die Bürgerinnen und Bürger an der Wertschöpfung des Ausbaus von Wind- und Solarenergie zu beteiligen. Dies geschieht noch zu selten und verhindert eine positive Identifikation mit der eigenen Gemeinde als Ort der Energiewende. Spürbare finanzielle Anreize führen dazu, dass nachhaltige Projekte unterstützt werden – auch wenn Nachhaltigkeit und Transformation dabei nicht als überzeugende Argumente in der Kommunikation zum Tragen kommen.
Quelle: Gemeinde Uckerland